Damit die Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung gestellt werden kann, müssen Kriterien nach einem international anerkannten medizinischen Klassifikationssystem erfüllt sein. In Europa wird mit dem ICD-10 (WHO) gearbeitet. In Amerika wird meist auf das Manual DSM-V zurückgegriffen. Dies führt oft zu Verwirrung. Die Kriterien einer ADHS sind aber letztlich dieselben. Beim DSM-V werden zusätzlich mehrere Subtypen unterschieden:
Die adulte ADHS wurde in den USA von Paul Wender erforscht und fand 1987 Einlass in das Diagnosesystem DSM-III-R. Die Kriterien des Autors (vgl. Wender, P. 1998) wurden auch im deutschsprachigen Raum übernommen.
Rösler et. al fassten diese 2008 im klinischen Interview WRI folgendermassen zusammen:
Damit eine Aufmerksamkeitsdefizitstörung vorliegt, müssen je nach Diagnoseklassifikation (ICD-10 oder DSM-V) eine unterschiedliche Anzahl von Kriterien erfüllt werden. Zudem muss ein Punktewert überstiegen werden. Die relevantesten Kriterien, welche zwingend erfüllt sein müssen sind: Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität und Hyper- oder Hyperaktivität. Zudem muss die ADHS schon in der Kindheit vorhanden gewesen sein und auch bei erwachsenen Personen stetig über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Situationen auftreten.
Dieses Interview reicht nicht aus, um eine Diagnose zu stellen!
Beeinträchtigte Konzentration und Daueraufmerksamkeit beinhaltet folgende Symptome:
Beeinträchtigte Wahrnehmung: Schwierigkeiten mit Aufnahme und Verarbeitung vermittelter Inhalte (v.a. auditiv).
Bei den Erwachsenen haben diese Symptome oft einen Abbruch von Ausbildungen oder häufige Stellenwechsel zur Folge. Durch die rasch eintretende Langeweile und stetige Suche nach neuen Herausforderungen kommen etwa Schwierigkeiten mit Vorgesetzten manchmal gar nicht ungelegen, weil dies ADHS-Betroffene geradezu veranlasst, die Stelle zu wechseln.
Vor allem im Beruf kann der Hyperfokus positiv genutzt werden. Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, sich besonders interessanten Aufgabestellungen äusserst intensiv und kontinuierlich zu widmen. Befinden sich ADHS-Betroffene im Stadium des Hyperfokus, vergessen sie meist alles um sich herum wie Zeit und Raum. Bei der Berufswahl eines Betroffenen sollten daher seine Interessensgebiete unbedingt einbezogen werden.
Folgende Merkmale stehen im Vordergrund:
Bei rund einem Drittel der Betroffenen nimmt die Hyperaktivität mit zunehmendem Alter ab. Demgegenüber verstärkt sich jedoch bei den meisten Betroffenen die innere Unruhe. Diese Unruhe kann äusserlich in Erscheinung treten, muss es aber nicht. Je nach Charakter und Persönlichkeit wirkt sich diese Rastlosigkeit auch "nur" innerlich aus. Dies führt dazu, dass ADHS-Betroffene ruhelos und angespannt wirken. Diese innere Unruhe verunmöglicht es den Betroffenen, sich zu entspannen. Sie werden daher häufig zu „Workaholics“. Damit verbunden sind häufig auch Schlafschwierigkeiten. Daraus folgt letztlich ein „Ausgebrannt-Sein“ oder eine „Depression“ als Folgeerkrankung (auch bekannt als "Burn-out" oder "Erschöpfungsdepression").
Daneben gibt es auch die "stille" Form der ADHS, die „ADS“. Darunter versteht man diejenigen Betroffenen, welche nicht „in Gang“ kommen. Sie gelten oft als langweilig, unscheinbar und fallen wenig auf. Deshalb werden die Hypoaktiven meist viel später diagnostiziert.
Zusammenfassend: Es kann bei einer ADHS somit Hyper- oder Hypoaktivität auftreten.
Kennzeichnend für Störung der Affektlabilität sind folgende Symptome:
Der rasche Stimmungswechsel wird oft auch „Achterbahn der Gefühle“ genannt. Ein Mensch mit adulter ADHS kann am selben Tag ausgelassen sein und viel erzählen, wenig später aber ohne äusserlich erkennbaren Anlass niedergeschlagen wirken und Selbstzweifel oder Schuldgefühle äussern. Zur Unterscheidung von Depressionen oder bipolaren Störungen ist die Dauer der jeweiligen Stimmungslage entscheidend. Erwachsene mit ADHS können an einem Tag sowohl "im siebten Himmel schweben" als auch "zu Tode" betrübt sein. Diese extremen Stimmungsschwankungen können von Stunden bis zu wenigen Tagen andauern.
Bei der bipolaren Störung oder der Depression dauern die Phasen von Niedergeschlagenheit oder Euphorie länger an.
Unter Stressintoleranz versteht man
Unter Stressintoleranz wird generell eine andauernde Reizbarkeit verstanden. Die Frustrationstoleranz ist gering. Wird die Reizschwelle überschritten, erfolgt die emotionale Überreaktion. Diese kann sich durch Wutausbrüche, Angst / Panik, Blockaden / Unfähigkeit zu Handeln oder Weinen äussern. Dadurch können die Anforderungen des Alltags nicht mehr erfüllt werden.
Unter Desorganisation ist im Erwachsenenalter Folgendes zu verstehen:
All diese Umstände zusammen belasten einen Erwachsenen mit ADHS derart, dass es ihm schwer fällt, im Alltag zurecht zukommen. Aufgrund dieser Defizite kann nicht zielorientiert gearbeitet werden. Betroffene leiden wegen dieser Hürden sehr häufig unter dem Gefühl nicht zu genügen (Insuffizienz), sei es am Arbeitsplatz oder zu Hause.
Impulsivität heisst "Handeln vor Denken". Sie zeigt sich in folgenden Bereichen
Bei Erwachsenen zeigt sich die Impulsivität oft zusätzlich im Kaufverhalten. Häufig wird gekauft, ohne das Budget zu berücksichtigen, was dann in die Schuldenfalle führen kann. Ungeduld und Langeweile sind ebenso ausgeprägt. Dies führt dazu, dass Erwachsene mit ADHS häufiger die Arbeitsstelle wechseln.
Ebenso sind kürzere und unharmonische Partnerschaften kennzeichnend. Auch hier werden neue Herausforderungen gesucht und bei auftretenden Schwierigkeiten die Partnerschaft beendet. Im Strassenverkehr kann sich die Impulsivität durch schnelleres Fahren (Rasen), aber auch Nichtbeachten von Verkehrszeichen oder Ampeln negativ auswirken.
DSM-V (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. American Psychiatric Association (APA).
ICD-10 (2012). Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Rösler, M., Retz-Junginger, P., Retz, W. & Stieglitz, R.-D. (2008). Homburger ADHS-Skalen für Erwachsene (HASE). Manual. Göttingen: Hogrefe.
Wender, Paul, H. Attention-Deficit Hyperactivity Disorder in Adults. Psychiatic Clinics of North-America. Elsevier, 1998; 21 (4):761-774.